Ich wüsste wirklich nicht, wie ich es
erklären sollte. Ich hatte dafür Sorge getragen, alle Anforderungen eines
perfekten Liebhabers zu erfüllen, und zwar schon sehr lange, bevor ich darauf
hoffen konnte, sie kennenzulernen. Nein, das ist keine Schnapsidee. Schon in
meinen Jugendjahren hatte ich mich darauf vorbereitet, die zu lieben, die ich
einmal lieben würde. Bei meinen ersten Lektüren, in dem Alter, in dem man die
Welt in den Büchern entdeckt, verwarf ich, ohne jedes Zögern, solche, die eine
Vision des Lebens vermitteln, als wäre es ein Karussel, immer locker und in
Feierstimmung. Das war es nicht, was ich zu lesen wünschte, aber nicht, weil es
etwa nicht nach meinem Geschmack gewesen wäre, denn ich selbst hätte
zweifelsohne mehr Freude daran gehabt, sondern um ihrem Urteilsvermögen zu
folgen, dem von der, die ja noch nicht existierte. Ich bereitete mich natürlich
auch in meinen Alltagsgewohnheiten
dementsprechend vor, indem ich selbstverständlich von jenen Freunden Abstand
nahm, die dazu neigten, bis spät in die Nacht zu feiern und jeden Abend im
Wirtshaus zu verbringen pflegten. Es gibt Spirituosen, die ich noch nie
gekostet habe, nicht aus einer Laune heraus, denn ich hätte sie sicher durchaus
zu schätzen wissen, sondern, um nur dem Rausch treu zu sein, den allein
diejenige in mir hervorrufen könnte, welche die Quelle all meiner Wonnen wäre.
Dabei wusste ich ja überhaupt nicht, welche Zukunft mich
erwartete. Soweit ich mich erinnere, hatte ich nur einen Traum, nämlich der
Erste zu sein, der ihren Namen ausspricht und dass der meine das letzte Wort
wäre, welches am Ende des Tages über ihre Lippen käme. Ob diese nun schmal oder
voll sein sollten, diesbezüglich hatte ich mich nie damit aufgehalten,
meinerseits eine Vorliebe festzulegen. Nichts wusste ich darüber, ob sie nun
groß sein würde oder klein, noch über die Besonderheiten ihres Körperbaus. Ihre
Stimme würde mich erschaudern lassen, aber nicht aufgrund eines tiefen oder
schrillen Tonfalls, sondern aufgrund der Tatsache, dass es eben ihre Stimme
sein würde. Das war das Hauptkriterium für mein Warten. Ich baute darauf, wenn
ich sie einst endlich zu Gesicht bekäme, dann mit mathematischer Genauigkeit
mein weibliches Schönheitsideal kennenzulernen. Und wenn ich sie mir angezogen
vorstellte, tatsächlich stellte ich sie mir immer angezogen vor, auch wenn ich
davon ausging, dass ich ebenso imstande wäre, mit ihrer Nacktheit leben zu
können, dann legte ich mich weder auf einen besonderen Stil fest, noch auf eine
Vorliebe für diesen oder jenen Duft. Oder vielleicht doch nur für einen
einzigen. Ich glaube, unter allen Blumen, die ich bewundere, würde ich sie gleichstellen wollen mit der
schlichten und tiefgründigen Schönheit der Tulpen..
Ich hatte mein Leben in eine Priesterschaft für eine
abwesende Gottheit verwandelt. Ein Essbesteck oder jeden Gegenstand, den ich
für zuhause brauchte, kaufte ich immer für zwei Personen, und genau so erklärte
ich es dann jeweils dem Verkäufer: «Bitte zwei davon, für meine Verlobte und
für mich». Und wenn der Verkäufer eine einfühlsame Person war und er uns zu dem
Treuegelöbnis, das uns verband, gratulierte, sicherte ich ihm umgehend zu,
seine Glückwünsche an meine Verlobte weiterzuleiten. An dem Tag, an dem
ich sie schließlich kennenlernen würde. Täglich habe ich für sie peinlich genau
auf meine Körperhygiene geachtet. In meinen Gedanken vermied ich unflätige oder
anstößige Worte. Ich zog immer angenehme und unterhaltsame Gesprächsthemen vor
und bemühte mich, über die Wechselfälle der Zeitgeschichte auf dem Laufenden zu
bleiben, um ihr jede mögliche Frage, die sie mir stellen mochte oder die sie
vielleicht beunruhigte, souverän beantworten zu können. Dass sie bislang noch
nicht in mein Leben getreten war, erlaubte mir ja in keinster Weise, meinen
Status als Liebhaber irgendwie zu vernachlässigen oder gar zu verlassen.
Ich war davon überzeugt, dass meine Geduld mich sie auf den ersten Blick erkennen lassen
würde. Von daher war mir schon seit Jahren klar, dass das Fräulein Ringe,
Stenotypistin im Büro vom dritten Stock, genau unter der Kanzlei, wo ich meiner
Arbeit nachgehe, ganz gewiss nicht die richtige Bewerberin war. Ich hatte ja
auch nie besonders viel Kontakt mit ihr gehabt. Die höflichen Begrüßungen und
vielleicht ab und an eine Unterhaltung über bestimmte Angelegenheiten
ausschließlich verwaltungstechnischer Natur. Mehr noch, wenn ich diesem Mädchen
eine Blume zuordnen sollte, so würde ich wohl eher an eine Nelke in einem
rustikalen Blumentopf denken, soweit entfernt, wie ich es mir nur vorstellen
konnte, von einem Strauß Tulpen in einer Porzellanvase. Daher kam mir ihre
übertriebene Vertraulichkeit auch seltsam vor, mit der sie mich auf dem
Jahrmarkt begrüßte, als wir uns zufällig in der Warteschlange vor einer der
Attraktionen trafen.
Ich erinnere mich noch genau, was mich
an diesem Nachmittag dazu bewogen hatte, dieses Artefakt zu besteigen, das sich
da auf und ab drehte, ein Riesenrad enormen Ausmaßes. Ich dachte nämlich, sie
würde, wenn sie dann in mein Leben käme, mich vielleicht eines Tages darum
bitten, darin einzusteigen, und ich wäre dann, wenn ich es nicht zuvor
ausprobiert hätte, um herauszufinden, dass es mir weder zu viel Angst machte,
noch dass es mir dabei übel würde, noch dass es meine Nerven irgendwie aus dem
Gleichgewicht brächte, in diesen angenommenen Augenblick, wenn er dann endlich
käme, mir nicht sicher, ihr mit überzeugender Souveränität zu antworten zu
können: «Klar, Liebste, steigen wir ein». Ein Zögern meinerseits mochte dann
wohl katastrophale Folgen haben. Tatsache ist, dass ich es nicht verhindern
konnte, die Wartezeit mit der Stenotypistin aus dem dritten Stock zu teilen,
deren Taufname, falls ich ihn jemals gewusst haben sollte, ich vollkommen
vergessen hatte. Und das Schlimmste dabei war, dass es mir auch nicht
gelang, zu entkommen, als die leere Kabine des Riesenrades auftauchte und der
Platzanweiser, der die Tür danach von außen verschließen würde, angesichts
meiner Unschlüssigkeit rief: «Na, kommt schon, Ihr zwei Hübschen, etwas
Beeilung, bitte, es geht gleich los!».
Wir stiegen stufenweise in die Höhe,
während sich unter uns die Gondeln füllten. Das Fräulein Ringe lachte
unaufhörlich, als ob alles, was ich sagte, und dabei bemühte ich mich doch, so
wenig wie möglich zu reden, ihr ein unendliches Vergnügen bereitete. Sie
bewegte sich unruhig hin und her. Sie betrachtete die Aussicht von allen
Positionen, einschließlich der hinter unserem Rücken und sie kniete sich dabei
auf den Platz, den sie an meiner Seite eingenommen hatte. Sie hielt sich nicht
zurück, meine Aufmerksamkeit auf jede noch so unbedeutende Kleinigkeit zu
lenken, die sie in der Lage war, von hier oben zu erkennen. Dann begann sich
das Riesenrad ohne weitere Unterbrechung zu drehen. In den Himmel
hinaufzusteigen und abzustürzen, so wie es schien, auf die umliegenden
Jahrmarktattraktionen. Ich wusste nicht, ob eine böse Macht mich entführt hatte
oder ob es mir schwindelig wurde, wie in einem Alkoholrausch. An diesem Punkt
inneren Deliriums; und äußeren, denn das Fräulein Ringe hatte beschlossen, alle
Gefühle, die sie empfand, in Urwaldschreie umzusetzen. An diesem Punkt, wie
gesagt, während wir die höchste Stelle der Drehung erreichten, blieb das
Riesenrad plötzlich stehen, mit einer Erschütterung, bei der wir nur schwer
unser Gleichgewicht halten konnten, und das Fräulein Ringe schon gar nicht, die
sich ja leichtsinnigerweise den Sicherheitsgurt abgeschnallt hatte, der uns an
den Sitz fesselte und mit vollem Schwung an meiner Brust landete und meine Arme
es zum Glück schafften, sie an meinem Körper abzustützen und mit ihm
festzuhalten. Ich weiß nicht, ob es eine Sekunde oder ein Jahrtausend
lang gedauert hat, bis das Riesenrad sich endlich beruhigt hatte und nicht mehr
schaukelte, aber wir änderten die Stellung unserer Umarmung nicht einen Deut.
Nun, gut, vielleicht haben wir ein bisschen den Kopf gedreht, bis ihre Lippen
voll auf die meinen trafen und wir uns einem plötzlichen, unerwarteten und
endlosen Kuss hingaben. Als er zu Ende war, im selben Augenblick, in dem das
Riesenrad jetzt wieder langsam Fahrt aufnahm, zurück zu seinem Ausgangspunkt,
kam es mir in den Sinn, nach unten zu schauen und, auf allen Gondelplätzen, die
ich überblicken konnte, waren alle Pärchen dabei, das zu tun, was wir bis zu
diesem Augenblick auch getan hatten; also brachte ich meine Lippen dorthin
zurück, wo sie glücklich gewesen waren, um diese Jahrmarktattraktion, bis zu
dem Moment auszukosten, in dem wir zu hören bekamen, «Los, raus da, ihr zwei
Hübschen, hier ist jetzt Zapfenstreich, aber ihr könnt ja gleich dort in der
Geisterbahn weitermachen, da ist es schön dunkel». Wenngleich dieser Satz ein
ganzes Leben voller Hingabe an die Liebe jäh beendete.
Übersetzung aus dem Spanischen Peter Burfeid 2025